Zum Jahreswechsel 2023: Ansprache des Sprechers der AGDM Bernard Gaida
Liebe Landsleute in allen Ländern Europas und Zentralasiens,
liebe Freunde der Deutschen Minderheiten,
Am Anfang des Jahres 2023 wende ich mich an Euch, um für unsere Zusammenarbeit im vergangenen Jahr zu danken und gemeinsam in die Zukunft zu blicken. Hinter uns steht eine beispielslos schwierige Zeit. Fast das ganze Jahr ist im Schatten des brutalen Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine verlaufen. Das Leben von Millionen Menschen ist bedroht. Viele verlieren ihr Hab und Gut und die Heimat. In den bombardierten und okkupierten Städten und Dörfern leben auch unsere Landsleute. Die Vereine der Deutschen Minderheit haben dort ihre Sitze und führen dort ihre kulturelle und heutzutage auch humanitäre Tätigkeit. Trotz großen Flüchtlingswellen sind die meisten dort geblieben. Trotz der traurigen Gedanken wende ich mich mit Dankbarkeit an alle unseren Organisationen, die mit ihren Mitgliedern auf unterschiedliche Weise ukrainischen Flüchtlingen Hilfe geleistet haben. Hunderten von ihnen haben sie eine Unterkunft in Polen, in der Slowakei und in Rumänien besorgt. Als AGDM haben wir auf den Appel des Rates der Deutschen in der Ukraine reagiert und über 200 deutschstämmige Familien auf dem Weg nach Deutschland begleitet. Seien wir weiter solidarisch!
Unsere Gemeinschaft hat ihre Einheit bewahrt, auch mit unseren Landsleuten in Russland.
In der schwierigen Zeit hat AGDM bewiesen, dass das Wort „Gemeinschaft“ in unseren Namen kein leerer Begriff ist.
Aber der Jahreswechsel ist immer auch eine Zeit, in der wir alle das alte Jahr zusammenfassen, auf die durchgeführten Projekte zurückblicken und nach vorne in unsere Aktivitäten in dem neuen Jahr schauen. Von Anfang an bleibt das Ziel aller Strukturen der Deutschen Minderheit unwiderruflich der Aufbau einer Gemeinschaft, die grenzübergreifend nicht nur für die deutsche Sprache und Kultur Sorge trägt, sondern auch für ein Gefühl des nationalen Zusammenhalts mit allen, die sich als Deutsche empfinden.
Ich möchte Euch allen für die Leistung des letzten Jahres danken und ich hoffe, dass es heute so wichtig ist, unsere Identität mutig lebendig zu machen, weil europäische und friedliche Idee als Gemeinschaft der unterschiedlichen Völker funktionieren kann, und nicht nur als Gemeinschaft der unterschiedlichen Staaten. Wir verstehen am besten, dass die Minderheitenrechte nur in einer gut funktionierenden Demokratie sicher sein können, und deswegen unterstützen wir als NGOs sie immer. An der ersten Stelle möchte ich mich bei allen unseren Landsleuten bedanken, die sich ehrenamtlich in den vielseitigen Tätigkeiten engagieren.
Es freut mich, dass die letzten Volkszählungen in mehreren Ländern einen stabilen Zuwachs der deutschen Minderheit bewiesen haben. Vielleicht nicht nur Zuwachs der Deutschen in dem Lande, sondern der Menschen, die auch dadurch mutig die Bindung mit den Vorfahren und das Vertrauen zu den staatlichen Institutionen und zu der gesellschaftlichen Mehrheit gezeigt haben.
AGDM als Teil des Federal Union of European Nationalities (FUEN) beschäftigt sich mit den Rechten der nationalen Minderheiten. Unser wichtigstes Vorhaben in den letzten Jahren ist die Umsetzung der Postulaten der Europäischen Bürgerinitiative Minority Safe Pack. Damit ringen wir um eine Verwurzelung der Minderheitenrechte in dem Rechtssystem der Europäischen Union. Trotz der Unterschriften von über 1 Million der Europäerinnen und Europäer hat die Europäische Kommission leider die Möglichkeit der Verbesserung des Schutzes der Minderheiten und ihrer Sprachen abgelehnt.
Auf diese Weise bleiben diese Rechte weiter ausschließlich in den Kompetenzen der Mitgliedsländer und damit bleiben auch die riesigen Unterschiede bei ihrer Umsetzung. Nur in wenigen Ländern können die Minderheiten mit ihren Sprachen als Unterrichtssprachen in den Schulen oder öffentlichen Medien zählen. Andere dürfen davon nur träumen. Wie wichtig ist, die juristische Lage der Minderheiten international zu verbessern, zeigt die plötzliche diskriminierende Kürzung der Deutschunterrichtsstunden für 50.000 Schülerinnen und Schüler von der deutschen Minderheit in Polen. Deswegen müssen wir mit der FUEN weiter alles tun, um MSPI erfolgreich umzusetzen. FUEN-Präsident Lorant Vincze sagte am 02.05.2022 in Wien bei dem UNO Regional Forum zu Minderheitenfragen zu Recht: „Ethnische Minderheiten sind eine vernachlässigte Gruppe in Europa und wir sehen keine Verbesserung der Situation“.
Trotz der politischen Änderungen in Deutschland und der außenpolitischen Lage, auch dank unseren Bemühungen, dürfen wir mit weiterer Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland zählen. Damit können wir künftig Kultur-, Sprach- und Jugendprojekte entwickeln, die für den Erhalt der Identität am wichtigsten sind. Als AGDM versuchen wir ihre Projekte nicht nur als Vertretung unserer Gemeinschaft zu unterstützen, sondern auch durch eine grenzübergreifende aktive Mitgestaltung der Jugendarbeit. Die immer größer werdende Anzahl der Jugendprojekten beweist am besten, wie zukunftsorientiert die deutschen Minderheiten sind.
Die Berliner AGDM-Jahrestagung wird auch dieses Jahr die Möglichkeit zur Verfügung stellen, uns direkt mit der breiten politischen Szene, aber auch miteinander zu treffen. Unser Ehrgeiz ist, uns jährlich auch in Regionen zu treffen, wo unsere Mitgliedsorganisationen zu Hause sind, sowie mit Partnerorganisationen gemeinsame Projekte zu entwickeln. Wir müssen uns mehr mit konkreten Problemen unserer Mitglieder befassen, wie z.B., die Anerkennung der deutschen Volksgruppe in Slowenien, das Problem der Spätaussiedlung, die Präsentation der Geschichte oder existentielle Probleme der kleineren Gruppen.
Allen denjenigen, die unseren Volksgruppen ihre Arbeit und Aktivität, insbesondere ehrenamtlich, geschenkt haben, danke ich herzlich. Haben wir keine Scheu, uns mutig um alles zu bemühen, was unsere moderne, deutsche Identität festigen wird. Denken wir daran, dass die Hervorhebung der eigenen Verschiedenheit und eigener Bedürfnisse nicht dabei hinderlich sein muss, Brücken statt Mauern zu bauen. Ich wünsche, dass wir konsequent sein mögen, besser verstanden und unterstützt beim Aufbau der durch unsere sprachliche und kulturelle Vielfalt reichen Gesellschaften.
Zum Schluss möchte ich als Sprecher der AGDM für das mir und unserer Jugendkoordinatorin Hanna Klein in den Wahlen erwiesene Vertrauen danken. Gleichzeitig bedanke ich mich bei dem FUEN/AGDM-Team für seine Leistung.
Mit Hoffnung auf einen gemeinsamen Weg, den wir als die Gemeinschaft der Deutschen Minderheiten bilden, möchte ich uns allen, unseren Freunden und Sympathisanten viel Eifer und Hingabe bei ihrer Arbeit wünschen, aber auch Genugtuung über die erreichten Ziele. Ich danke allen, die unsere Ziele und Projekte unterstützen, darunter den Regierungen, Ministerien, Partner- und Mittlerorganisationen.
Ich wünsche, dass Gott Euch Frieden, Gesundheit und Glück im Leben schenkt.
Guttentag/Dobrodzien, im Januar 2023