Schicksalsgemeinschaft, die Verantwortung übernimmt: 34. Jahrestagung der AGDM in Berlin

Wie bleibt die Stimme der deutschen Minderheiten in Europa und Zentralasien auch künftig hörbar? Welche Themen werden in den kommenden Jahren im Mittelpunkt stehen, und wie kann die Förderung durch die Bundesregierung an die aktuellen Realitäten angepasst werden? Mit diesen Fragen befasste sich die 34. Jahrestagung der AGDM, die am 6. und 7. November 2025 in Berlin stattfand.

29 Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheiten aus 16 Ländern kamen zusammen, um über aktuelle Herausforderungen und Perspektiven der Minderheitenarbeit, über Förderstrukturen, die Rolle der Jugend und die Zukunft der FUEN-Arbeitsgemeinschaft zu beraten. Neben internen Diskussionen standen auch Gespräche mit hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung auf dem Programm, ein wichtiges Element der alljährlichen Tagung, das den Austausch zwischen den Gemeinschaften und ihren Partnern in Deutschland weiter vertiefte.

Impulse zum Tagungsauftakt

Eröffnet wurde die Tagung vom scheidenden AGDM-Sprecher Bernard Gaida, Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, sowie FUEN-Präsidentin Olivia Schubert.

In seiner Eröffnungsrede sprach Bernard Gaida über die besondere Bedeutung der Gemeinschaft der deutschen Minderheiten, die trotz ihrer Unterschiede „durch ein unsichtbares Band“ verbunden seien. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit, so Gaida, sei die eigentliche Stärke der AGDM. Zugleich mahnte er, die klare Förderverantwortung Deutschlands dürfe nicht verwässert werden. Die Unterstützung der deutschen Minderheiten beruhe, betonte er, auf einem historischen Auftrag, der sich aus dem Kriegsfolgeschicksal ableite. Mit Blick auf den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges erinnerte er daran, dass „die Nachkriegserfahrungen der deutschen Volksgruppen zwischen Adria, Ostsee, Oder und Kamtschatka nicht vergessen werden dürfen“. Deutschland solle das Leid, aber auch die Aufbauarbeit der deutschen Minderheiten stärker sichtbar machen, etwa in Gedenkveranstaltungen oder Ausstellungen wie im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung.

Auch Dr. Bernd Fabritius würdigte in seiner Ansprache die AGDM als „lebendigen Ausdruck von Identität, Zusammenhalt und dem festen Willen, Brücken zu bauen – zwischen Kulturen, Generationen und Nationen“. Er sprach von einer Familie, „die nicht nur Geschichte bewahrt, sondern auch Zukunft gestaltet“, und betonte, dass die Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit mehr sei als Herkunft – sie bedeute gelebte Kultur, Sprache und Geschichte und sei zugleich ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa.

FUEN-Präsidentin Olivia Schubert, die selbst der deutschen Minderheit in Ungarn angehört, unterstrich in ihrem Grußwort die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit innerhalb der AGDM. Sie betonte, wie wichtig es sei, die gemeinsamen Anliegen der deutschen Minderheiten über Ländergrenzen hinweg zu vertreten, und würdigte das Engagement der AGDM-Mitgliedsorganisationen, die „Tag für Tag daran arbeiten, Sprache, Kultur und Rechte der deutschen Minderheiten lebendig zu halten“.

Im Anschluss an die Eröffnung folgten politische Gespräche im Deutschen Bundestag. Mit MdB Klaus-Peter Willsch, dem Vorsitzenden der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, diskutierten die Teilnehmenden über die aktuelle Haushaltslage, Förderstrukturen und die Zukunft kultureller Projekte in jenen Regionen, in denen die deutschen Minderheiten zu Hause sind. Anschließend empfing Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) die Gruppe zu einem offenen Austausch über Bildungsarbeit, Jugendarbeit und die Sichtbarkeit der deutschen Minderheiten in der Öffentlichkeit.

Benjamin Józsa: neuer Sprecher der AGDM

Der Abend brachte einen besonderen Moment in der Geschichte der AGDM: Bernard Gaida, der bereits im Vorfeld der Tagung angekündigt hatte, sich nicht erneut zur Wahl zum Sprecher zu stellen, wurde nach neun Jahren an der Spitze der Arbeitsgemeinschaft feierlich verabschiedet. Unter Standing Ovations dankte ihm die AGDM-Familie für sein langjähriges Engagement und seine klare, verlässliche Stimme für die deutschen Minderheiten in Europa und Zentralasien. Bundestagsvizepräsidentin Lindholz hatte zuvor treffend an Max Weber erinnert: „Die Politik bedeutet ein starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“ – Worte, die Gaidas Wirken in der AGDM (und darüber hinaus) bestens beschreiben.

Im Anschluss wählten die Vertreterinnen und Vertreter der AGDM-Mitgliedsorganisationen Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), zum neuen Sprecher der AGDM. Józsa bedankte sich für das ihm entgegengebrachte Vertrauen und betonte, dass er es als zentrale Aufgabe sehe, die Wahrnehmung der deutschen Minderheiten zu verändern: „Die größte Priorität ist es, Politikerinnen und Politiker davon zu überzeugen, dass Minderheiten nicht nur Empfänger von Förderung sind, sondern eine Chance für Deutschland – eine Chance, in viele Länder hineinzuwirken und die oft beschworene Brückenfunktion mit Leben zu füllen.“

Bereits am folgenden Morgen nahm Józsa in seiner neuen Funktion gemeinsam mit der AGDM-Delegation an einem Gespräch mit dem Parlamentskreis Minderheiten im Deutschen Bundestag teil. Gemeinsam mit Stefan Seidler (SSW), Kathrin Michel (SPD), Leif Bodin (CDU), Ina Latendorf (Die Linke) und Stephan Mayer (CSU) diskutierte die Gruppe über die politische Sichtbarkeit der deutschen Minderheiten und die Stärkung der Jugendarbeit innerhalb der Gemeinschaften.

Gespräch mit Bundesminister Alexander Dobrindt

Den Abschluss und Höhepunkt der AGDM-Jahrestagung bildete sodann am Freitagabend (07.11.) ein Gespräch mit Alexander Dobrindt, Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland. Begleitet von Christoph de Vries, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Bernd Fabritius und weiteren Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums, hob der Minister die enge historische und kulturelle Verbundenheit Deutschlands mit den deutschen Minderheiten hervor und dankte der AGDM ausdrücklich für ihr Engagement bei der Bewahrung von Sprache und Kultur. Zugleich kündigte er an, seinen Kabinettskolleginnen und -kollegen zu empfehlen, bei Auslandsreisen gezielt den Kontakt zu den deutschen Minderheiten vor Ort zu suchen. Dobrindt betonte zudem, dass eine lebendige Demokratie immer auch am Umgang mit ihren Minderheiten zu erkennen sei: „Wo die Demokratie leidet, da leiden zuerst die Minderheiten“, so der Bundesminister.

Insgesamt machte die 34. Jahrestagung der AGDM deutlich: Die deutschen Minderheiten in Europa und Zentralasien sind keine statischen Gemeinschaften, sondern lebendige Netzwerke mit Zukunftsvision. „Wir sind kein verstaubter Trachtenverein, sondern eine große Chance in unseren Ländern“, sagte der neue AGDM-Sprecher Benjamin Józsa zum Abschluss der Tagung. „Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, die Verantwortung übernimmt – für ihre Herkunft, für ihre Zukunft und für Europa.“ Damit brachte er auf den Punkt, was die Jahrestagung 2025 prägte: den gemeinsamen Willen, die Stimme der deutschen Minderheiten in Europa weiterhin hörbar zu halten und ihre Rolle als verbindende Kraft zu stärken.

 

An der 34. AGDM-Jahrestagung nahmen Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheiten aus Dänemark, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Kroatien, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, der Slowakei, Tschechien, der Ukraine, Ungarn und Usbekistan teil.

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