AGDM beim Festakt „75 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ in Stuttgart

Mit einem hochrangig besetzten Festakt im Weißen Saal des Neuen Schlosses in Stuttgart wurde gestern (05.08.) das 75-jährige Jubiläum der Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen am 5. August 1950 begangen. Eingeladen hatte der Bund der Vertriebenen (BdV) im Rahmen des Tags der Heimat 2025.

Die hohe Bedeutung des Jahrestages spiegelte sich auch darin wider, dass die Festrede vom deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz gehalten wurde. Ebenfalls vor Ort war die AGDM in der FUEN, vertreten durch ihren Sprecher und FUEN-Vizepräsidenten Bernard Gaida, der ein Grußwort an die Versammelten richtete. Begleitet wurde er von zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern deutscher Minderheiten aus dem Ausland, unter anderem aus Polen und Rumänien.

Bundeskanzler Friedrich Merz würdigte in seiner Festrede die Bedeutung der Charta und ihrer Botschaft: „Millionen verloren Heimat – aber nicht Würde und Hoffnung. Die Charta ist Mahnung und Versprechen. Frieden und Freiheit sind ein Versprechen.“

Zugleich betonte Merz ausdrücklich die Rolle der deutschen Minderheiten: „Bis heute sind sie, die deutschen Minderheiten vor Ort, Brückenbauer in der Partnerschaft unseres Landes mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa. Sie sind dort und in den nicht-europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion Botschafter deutscher Kultur. Ich möchte Ihnen einfach ein herzliches Wort des Dankes aussprechen im Namen der Bundesrepublik Deutschland, und ich sage Ihnen im Namen der Bundesregierung: Wir brauchen Sie weiter als Übersetzer und Mittler zwischen den Gesellschaften Europas und seiner Nachbarn.“

Bernard Gaida erinnerte in seinem Grußwort an jene Deutschen, die nach 1945 in Schlesien, Ostpreußen, der Zips, im Banat, in Wolhynien oder am Schwarzen Meer geblieben waren – oder nicht gehen konnten: „Sie waren vor 75 Jahren hier nicht vertreten. Wir hatten damals weder Rechte noch Stimme.“ Er verwies auf das Ausmaß der Tragödie, das sich nicht nur in Flucht und Vertreibung, sondern auch in Internierung, Zwangsarbeit und jahrzehntelanger kultureller Repression widerspiegele: „War 1950 alles vorbei? Keineswegs. Es folgte ein jahrzehntelanger, kultureller Kampf gegen das Deutschsein – bis 1989/90 und teils versteckt bis heute.“

Gleichzeitig unterstrich Gaida die europäische Dimension der Charta und deren bleibende Bedeutung für die Minderheitenarbeit: „Heute bewundern wir die Charta als visionäres Dokument. Als sich vor 35 Jahren deutsche Minderheiten in Europa und Zentralasien organisierten, fanden wir darin gemeinsame Gedanken, insbesondere die Unterstützung für ein vereintes Europa, in dem Völker ohne Furcht leben.“ Er forderte die Bundesregierung auf, die Förderung deutscher Minderheiten konsequent fortzusetzen: „Unsere Zukunft gründet auf dieser unverzichtbaren Solidarität. So bleiben wir lebendige Brückenbauer und Partner für Versöhnung und Stabilität – für ein friedliches und vereintes Europa.“

Auch BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius hatte zuvor in seiner Begrüßungsansprache die bleibende Relevanz der Charta hervorgehoben: „Die Vertriebenen und ihre Verbände vollzogen mit der Charta in einer Zeit größter sozialer Not und Unsicherheit eine bewusste Abkehr von Rache und Vergeltung. Sie zeichneten eine der ersten modernen Visionen eines freien und geeinten Europas, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können. Und sie ermutigten ihre Landsleute dazu, sich aktiv für den Wiederaufbau einzusetzen. Damit wiesen sie den Weg hin zum späteren Wirtschaftswunder, zu dessen Mitgestaltern sie dann selbst wurden“, so Dr. Fabritius, der seit Ende Mai zudem als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten fungiert.

Abgerundet wurde der Festakt durch einen wissenschaftlichen Impuls von Dr. Mathias Beer von der Universität Tübingen, der sich dem Thema „Die Charta: Viel zitiert, wenig erforscht“ widmete und die historische sowie erinnerungspolitische Bedeutung des Dokuments in den Fokus rückte.

Bereits am Vormittag des Jubiläumstages hatten zahlreiche Gäste, unter ihnen auch AGDM-Sprecher Bernard Gaida sowie Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheiten, an einer feierlichen Kranzniederlegung am Vertriebenendenkmal im Kurpark Bad Cannstatt teilgenommen. Auch dort wurde an das Schicksal der Heimatvertriebenen erinnert und der unzähligen Opfer gedacht.

Die Aufzeichnung des Festaktes können Sie sich hier ansehen.