33. AGDM-Jahrestagung: „Wir sind kein Museum, sondern eine lebendige Gemeinschaft“
Vor welchen Herausforderungen stehen die deutschen Minderheiten in Europa und Zentralasien im Jahr 2024? Wie können Sprache und Kultur trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten erhalten bleiben? Und welche Rolle spielt die Jugend bei der Bewahrung des kulturellen Erbes? Diese Fragen standen im Zentrum der kürzlich zu Ende gegangenen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) unter dem Dach der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN).
Das jährliche Treffen der 1991 gegründeten FUEN-Arbeitsgemeinschaft fand bereits zum 33. Mal statt, wie immer in der deutschen Hauptstadt Berlin. Zwischen dem 13. und dem 16. Oktober 2024 kamen mehr als 40 Vertreterinnen und Vertreter deutscher Minderheiten aus 17 europäischen und zentralasiatischen Ländern zusammen, um sich im Rahmen eines umfassenden Programms auszutauschen und zentrale Themen für die Zukunft zu besprechen. Neben internen Beratungen standen dabei auch politische und fachliche Gespräche mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Bundesministerien auf der Agenda.
Offiziell eröffnet wurde die Tagung von Natalie Pawlik, MdB und Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Sie begrüßte die Teilnehmenden in Berlin und unterstrich in ihrer Ansprache die Bedeutung regelmäßiger Besuche bei den deutschen Minderheiten im Ausland, um deren Bedürfnisse besser zu verstehen und ihr Engagement vor Ort aus erster Hand kennenzulernen. „Die Arbeit der deutschen Minderheiten ist für die Bundesregierung sehr wichtig und hat eine hohe Bedeutung“, so Pawlik. Sie erwähnte zudem die Wichtigkeit einer nachhaltigen Jugendförderung sowie die besondere Unterstützung für die deutsche Minderheit in der Ukraine, deren Lage weiterhin herausfordernd bleibt.
Natalie Pawlik ging auch auf die schwierige Haushaltslage ein und erklärte, dass trotz der zahlreichen notwendigen Einsparungen der Bundesregierung die Förderung der deutschen Minderheiten seitens des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) nicht gekürzt werde. Tatsächlich sei es gelungen, die finanzielle Unterstützung für die deutschen Minderheiten im Ausland sogar leicht zu erhöhen, was unter den aktuellen Bedingungen keine Selbstverständlichkeit sei. Gleichzeitig wies sie auf die Notwendigkeit hin, nicht nur die großen Gruppen der deutschen Minderheiten, sondern auch kleinere Gemeinschaften, wie jene in Slowakei oder der Ukraine, im Blick zu behalten.
Der AGDM-Sprecher und FUEN-Vizepräsident Bernard Gaida, der die gesamte Tagung leitete, würdigte Pawliks Engagement und bedankte sich für die Anstrengungen der Bundesregierung, Kürzungen in der Förderung zu verhindern. Er unterstrich die Bedeutung der Tagung in Berlin als wichtige Zusammenkunft der Gemeinschaft der deutschen Volksgruppen: „Zwischen uns gibt es große Unterschiede, sei es in der Geschichte, den Trachten oder den Liedern, aber wir sind durch unsere Gemeinschaft verbunden. Dieses Gefühl stärkt uns gegenseitig“, so Gaida. Er erinnerte zudem an das bevorstehende 80. Jubiläum des Endes des Zweiten Weltkrieges im Jahr 2025 und bat darum, die tragische Geschichte der deutschen Minderheiten, die nach Kriegsende oft von Vertreibung und Deportation betroffen waren, bei den entsprechenden Gedenkveranstaltungen nicht zu vergessen.
Im Verlauf der weiteren Tagung wurden die zu Beginn angesprochenen Themen vertieft. Die Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheiten nutzten die Gelegenheit, um sich untereinander sowie mit hochrangigen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern über aktuelle Herausforderungen auszutauschen. Besonders im Fokus standen dabei immer wieder die finanziellen Rahmenbedingungen und die Zukunft der Minderheitenförderung. So wurden im Gespräch mit Dirk Augustin und Mechtild Ermisch vom zuständigen Referat im Auswärtigen Amt die geplanten Kürzungen im Haushaltsplan 2025 ebenjenes Ministeriums thematisiert. Dirk Augustin hob hierbei die wichtige Rolle der deutschen Minderheiten als Brückenbauer hervor, machte aber gleichzeitig keinen Hehl daraus, dass aufgrund globaler Herausforderungen Einsparungen bei der zukünftigen Förderung zu erwarten seien; für die nahe Zukunft könne man dementsprechend keine Versprechungen nach einer Erhöhung der Finanzierung machen.
Auch die Lage der deutschsprachigen Gemeinschaft in Slowenien, die dort bisher nicht als nationale Minderheit anerkannt ist, war ein wiederkehrendes Thema der Tagung. Die anwesende Vertreterin ebenjener Volksgruppe äußerte wiederholt die Hoffnung, dass die deutsche Politik dieses Thema in Zukunft aktiv in den Dialog mit der slowenischen Regierung einbringt.
Ein weiteres wichtiges Gespräch fand mit Rita Schwarzelühr-Sutter, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin des Innern und für Heimat, statt. Die Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheiten berichteten der Politikerin unter anderem von der Jugendarbeit ihrer Organisationen, ihren Bemühungen zum Erhalt der kulturellen Identität und Sprache sowie von ihrer Rolle als Brückenbauer in Europa.
Darüber hinaus tauschten sich die AGDM-Repräsentantinnen und AGDM-Repräsentanten mit Martin Gerster, MdB und Haushaltsberichterstatter für das BMI, aus. Auch hier wurde die Bedeutung der Minderheitenarbeit unterstrichen, doch verwies Gerster auf die finanziellen Zwänge des Bundeshaushalts und das Prinzip der jährlichen Haushaltsplanung, das langfristige Zusagen erschwere.
Die Treffen mit Stefan Seidler, MdB und Initiator des Parlamentskreises Minderheiten im Deutschen Bundestag, Christoph de Vries, MdB und Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sowie mit Dr. Franca Fülle, Jörn Thießen und weiteren Vertreterinnen und Vertretern des BMI boten ebenfalls die Gelegenheit, über die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen für Minderheitenprojekte zu diskutieren. Außerdem bestand die Möglichkeit, bei abendlichen Netzwerkveranstaltungen mit den AGDM-Partnerorganisationen – der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, dem Bund der Vertriebenen und der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen – zusammenzukommen.
Neben diesen vielen Gesprächsrunden standen während der Tagung auch interne Beratungen auf dem Programm, in deren Rahmen unter anderem über aktuelle Entwicklungen in den verschiedenen AGDM-Mitgliedsorganisationen berichtet wurde. Außerdem einigten sich die Teilnehmenden auf einen Appell an die deutsche Politik. Darin fordern sie unter anderem, die finanzielle Förderung der deutschen Minderheiten, die nach wie vor auf der Milderung des Kriegsfolgeschicksals basiert, den realen Bedürfnissen anzupassen, eine verstärkte Förderung der deutschen Sprache in den Heimatländern der deutschen Minderheiten sowie die Beseitigung des Geoblockings von medialen Internetinhalten. Den vollständigen Text des Appells können Sie hier einsehen.
Insgesamt verdeutlichte die 33. AGDM-Jahrestagung, dass die deutschen Minderheiten trotz finanzieller Herausforderungen weiterhin eine zentrale Rolle als kulturelle und politische Brückenbauer zwischen ihren Heimatländern und Deutschland sowie in der europäischen Friedenspolitik spielen. Ein Teilnehmer fasste dies mit den Worten zusammen: „Die deutschen Minderheiten sind kein Museum, sondern eine lebendige Gemeinschaft.“
An der 33. AGDM-Jahrestagung nahmen Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheiten aus Rumänien, Russland, Polen, Tschechien, Serbien, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Georgien, Lettland, Litauen, Kroatien, der Slowakei, Slowenien, der Ukraine, Moldau und Ungarn teil. Hier geht es zur Fotogalerie.
Im Anschluss an die 33. AGDM-Jahrestagung fand noch die 3. AGDM-Jugendtagung statt. Den Bericht dazu finden Sie hier.
Der Wunsch der AGDM-Mitgliedsorganisationen ist es, die 34. AGDM-Jahrestagung in Riga (Lettland) zu veranstalten.