80. Jahrestag der Vertreibung: Donauschwaben gedenken in Kroatien mit Würde und Emotion

Unter dem Zeichen würdevollen Gedenkens fand am 5. Juli 2025 in Valpovo (in der Nähe von der ostkroatischen Stadt Osijek/Esseg) die zentrale Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Vertreibung und Verfolgung der deutschen Minderheit in Kroatien statt. Höhepunkt war das gemeinsame Eintreten für den Erhalt des historischen Gedächtnisses als Mahnmal gegen das Vergessen. Die Gedenkveranstaltung wurde in Zusammenarbeit der vier Vereine der deutschen und österreichischen Minderheit in Kroatien organisiert. Federführend unter organisatorischer Leitung der Deutschen Gemeinschaft in Kroatien nahmen an der Vorbereitung der Gedenkstunde auch die Gemeinschaft der Deutschen aus Zagreb, Verein der Deutschen und Österreicher aus Vukovar und Verein der Deutschen und Österreicher aus Sirač teil. Somit wurden die gute Zusammenarbeit und hervorragende Beziehungen zwischen den vier Organisationen in Kroatien erneut bestätigt und befestigt.

Stätten des Leidens: Friedhof und Denkmal
Die Zeremonie begann auf dem Städtischen Friedhof Valpovo mit einer Ehrung der Opfer von Internierungslagern wie Velika Pisanica, Krndija und Valpovo selbst. Am Friedhof in Valpovo wurde 2003 eine der ersten Gedenkstätten auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens für die Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Internierungslagern umgebracht wurden, errichtet. Das Denkmal befindet sich an Stelle des Massengrabes wo mehrere hunderte Zivilisten nach dem grausamen Tod im Lager am Hunger, Krankheiten und Kälte massenweise begraben wurden.

In zahlreichen Nachkriegslagern für Deutsche in Kroatien kamen zwischen Mai 1945 und Sommer 1947 tausende Zivilisten durch Hunger, Fleckfieber und Zwangsarbeit ums Leben. Ein ökumenischer Gottesdienst in deutscher Sprache, zelebriert von katholischen Pfarrer Ivica Zrno und evangelischen Pfarrer Dr. Samir Vrabec, unterstrich die Versöhnungsbotschaft. Der Chor „Alte Kameraden“ aus Osijek begleitete die Kranzniederlegung von 20 Delegationen am Lagermahnmal mit dem „Vater unser“.

 

Prominente Solidarität aus Politik und Verbänden
Im Kulturzentrum „Matija Petar Katančić“ setzten hochrangige Repräsentanten aus Deutschland und Kroatien das Programm fort. Unter den Teilnehmern und hohen Gästen waren Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedler und nationale Minderheiten, Klaus-Peter Willsch, MdB, Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen und deutschen Minderheiten der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag, Bernard Gaida Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (AGDM in der FUEN), Vertreter der Landsmannschaft der Donauschwaben – Bundesverbandes und Weltdachverbandes sowie Tibor Varga, Vorsitzender des Rates für nationale Minderheiten der Regierung der Republik Kroatien. Landsleute aus Rumänien, Serbien und Bosnien-Herzegowina sowie Kirchenvertreter bekräftigten die grenzüberschreitende Verbundenheit.

  

  

In seiner Rede betonte der Sprecher der AGDM Bernard Gaida folgendes: „Ich stehe heute vor Ihnen auf kroatischem Boden – nicht nur, um an Flucht und Vertreibung zu erinnern, sondern an das dreifache Leid unserer Gemeinschaften: Vertreibung, Internierung und die systematische Auslöschung unserer Identität bis 1990.

Jede Medaille hat zwei Seiten. Wie aber sieht die zweite Seite von Flucht und Vertreibung aus? Das Ausmaß der Nachkriegstragödie der Deutschen im Osten offenbaren Zahlen, die oft vergessen werden: Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten östlich von Oder und Neiße – von der Ostsee bis zur Adria und zum Schwarzen Meer – grob geschätzt über 20 Millionen Deutsche.

Das Bundesinnenministerium schätzt deren Zahl in denselben Gebieten heute auf etwa eine Million Menschen. Auch wenn wir in der AGDM überzeugt sind, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegt (vielleicht doppelt so hoch), wird das Drama rein rechnerisch greifbar. Nicht nur für die Vertriebenen hat sich die Welt verändert. Auch die Daheimgebliebenen lebten plötzlich in einer fremden Welt. Das vielfältige Mitteleuropa war nach der Tragödie von Krieg und Nachkriegsterror verschwunden.“

Er würdigte auch die Bemühungen kroatischer Politik bei der Aufarbeitung dieses Kapitels der Nachkriegsgeschichte: „Kroatien ist bei der Aufarbeitung dieser Gräueltaten im Vergleich zu vielen anderen mittel- und osteuropäischen Ländern sehr weit fortgeschritten – insbesondere dadurch, dass es Gedenkstätten und Denkmäler an Orten des Leidens der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg erlaubt hat. Hier in Valpovo sind sogar die Namen der verstorbenen deutschen Zivilopfer bekannt – mehr als tausend Seelen erlagen in nur wenigen Monaten Hunger, Kälte und Krankheiten. Dass wir diesen Opfern heute die letzte Ehre erweisen dürfen, ist im europäischen Kontext keineswegs selbstverständlich. Schmerzlich ist, wenn in Deutschland das Leid der Landsleute ignoriert wird – und das geschieht in Museen und bei Veranstaltungen.“

 

Zeugnisse der Erinnerung
Zvonko Barišić, der Kanzleichef der Stadt Valpovo und Vertreter deutscher Vereine aus Osijek - Vladimir Ham, Vukovar - Darko Tufekčić und Sirač - Josip Krajcer, würdigten das Gedenken. Enisa Kifer sprach für alle Räte und Vertreter der deutschen Minderheit Kroatiens. Tief bewegend wirkte die Lesung von Häftlingszeugnissen durch Schauspielerin Antonija Mrkonjić, insbesondere Briefe der Jugendlichen Mira Knöbl aus Lager Krndija. Musikalisch umrahmten die Chöre „Drei Rosen“ aus Vukovar und „Edelweiss“ aus Sirač die Veranstaltung.

 

 

Perspektiven für die Zukunft
Begleitgespräche widmeten sich der Zukunft europäischer deutscher Minderheiten. Die Kommemoration stärkte nachhaltig die Position der deutschen Volksgruppe in Kroatien – als lebendiger Teil der Erinnerungskultur und europäischen Zivilgesellschaft.

 

Foto: Tomislav Lichtenthal, Deutsche Gemeinschaft Kroatien